20. April Seit es einen Kunstmarkt gibt, wird mit Kunst gehandelt, die keine genannt werden darf. Als Täter gehen einerseits Ganoven zu Werke, die über hohes Können verfügen mögen, aber der inspirierenden Kreativität entbehren, sodass sie es mit ihren Erzeugnissen bei bloßer Nachmacherei von Vorgegebenem bewenden lassen müssen. Andererseits machen sich nicht minder versierte Handwerker an die Arbeit, die zusätzlich über genug Eingebung verfügen, um Persönliches hervorzubringen, nur eben im Stil von Zelebritäten. Größte Prominenz in jener Gruppe erarbeitete sich Wolfgang Fischer, der es unterm Künstlernamen Wolfgang Beltracchi zum „Jahrhundertfälscher“ brachte: Bis er 2010 aufflog, imitierte er gewinnbringend alle möglichen Sujets so meisterlich in der Malweise etwa von Max Ernst, Max Pechstein oder Heinrich Campendonk, dass auch ausgebuffte Kenner auf die Falsifikate hereinfielen; inzwischen bietet Beltracchi seine Produkte als Marke feil. Nicht als Fälscher, sondern als selbstbewusster Maler aus persönlicher Kraft wollte sich vor einigen Wochen ein Techniker der Pinakothek der Moderne in München bewähren, indem er Joseph Beuys’ Devise, der zufolge „jeder Mensch ein Künstler“ ist, konsequent auf sich anwandte: An einer Wand der weltbekannten Sammlung brachte er mitten unter auserlesenen Exponaten ein Gemälde aus seinem Liebhaberatelier an. Das Gegenteil eines Plagiats: Der Mann produzierte und präsentierte explizit Eigenes; erst recht das Gegenteil eines Diebstahls: Er nahm ja nichts fort, sondern fügte sogar etwas hinzu; nicht einmal für Betrug muss mans halten: Zumindest materiellen Nutzen zog er nicht daraus. Da mögen sich weniger verwegene Mitmenschen an ihre Jugend erinnert fühlen, als juvenile Talentproben in Kunstsaal, oder Treppenhaus, Aula oder Pausenraum ihrer Schulen aufgehängt wurden. Wer sich in der Kriminalgeschichte der Kunst auskennt, verweist lieber auf Koryphäen wie den arrivierten Maler Han van Meegeren aus den Niederlanden, der sich in den 1930er- und 1940er-Jahren die Manier Jan Vermeers derart täuschend anverwandelte, dass sich Adolf Hitlers „Reichsmarschall“ Hermann Göring gierig seine unter falscher Flagge segelnde Leinwand „Christus und die Ehebrecherin“ sicherte. Aus den USA wurde unlängst ein ähnlicher und doch besonderer Fall vermeldet: Dort verurteilte ein Gericht einen 61-Jährigen zu 52 Monate Haft; er hatte gestanden, gemeinsam mit seiner Frau nicht nur falsche Holzschnitte aus dem fünfzehnten bis zwanzigsten Jahrhundert verkauft zu haben, sondern desgleichen selbst hergestellte Druckstöcke vorgeblich für Grafiken aus der deutschen Reformationszeit, also die großen Holzstempel, von deren eingefärbter Oberfläche seiner Behauptung zufolge die Blätter abgezogen wurden. Schwunghaft vertrieb er via Internet Hunderte solcher Nachbildungen; in Wirklichkeit kommen authentische Druckstöcke kaum je in den Handel. Recht kleinkariert reagierte die Leitung der Pinakothek auf den vergleichsweise harmlosen Durchbruchversuch ihres Mitarbeiters: Nicht nur, dass sie ihn feuerte; obendrein zeigte sie ihn wegen Sachbeschädigung an – hatte er doch zur Befestigung seines Werks Löcher in die Wand gebohrt. Nun findet der Sonntagsmaler reichlich Zeit, sich weiter zu vervollkommnen. Nach einem Ausstellungsraum, dessen Rang und Ruf mit dem des berühmten Münchner Kunstareals mithält, wird er indes wohl eine Weile suchen müssen. ■
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Rückblick
25. April, Hof, Theater, Großes Haus
Für die Armen, Waisen und Entrechteten focht Zorro vor 105 Jahren zum ersten Mal. Seither hat sich die Meinung darüber, was einen Helden zum Superhelden macht, mehrfach gewandelt. Trotzdem inszenierte Tamás Mester ein Musical über den allzu gründlich aus der Zeit gefallenen Mantel-und-Degen-Kämpen. Unbeeinflusst von unfreiwilliger Komik überzeugt zumindest die Musik der vielbeklatschten Produktion.
18. April, Hof, Museum Bayerisches Vogtland
Bis Anfang des Monats erinnerte die Stadt mit einer Ausstellung an den verheerenden Brand, der das alte Hof am 4. September 1823 fast vollständig zerstörte. Dem Unheil und Leid von einst verdankt sich seither das Ensemble des Biedermeierviertels. Zur Schau erschien nun ein Begleitbuch, dessen Autorinnen das Thema vertiefen und erweitern. Den Hauptteil bildet eine Reihe wechselvoller „Häusergeschichten“.
Theater Hof
Schauspiel
zuletzt
Die Politiker
Der Menschenfeind
Dämon
Die bitteren Tränen der Petra von Kant
Musiktheater
zuletzt
1984
Anna Karenina
Sweeney Todd
Winterreise
Theater andernorts
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Jelisaweta Bam im Vogtlandtheater
Der König stirbt in der Studiobühne
Siegfried, Götterdämmerung in Bayreuth
Rheingold und Walküre in Bayreuth
Konzert
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Orgel in Hof, Pfeifen in Essen: Eine „Königin der Instrumente“, gesampelt
Französischer Abend: Die Symphoniker mit Bizets kaum bekannter „Rom“-Symphonie
Heimspiel im „Wohnzimmer“: Die „Brassmatiker“ triumphieren in Hof
Ein spiritueller Abend: Bruckner, Messiaen und Takemitsu bei den Symphonikern
Film und Fernsehen
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Anatomie eines Falls
The Zone of Interest
Dune: Part two
Eine Million Minuten
Kleinkunst, Kabarett, Comedy
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Olaf Schubert bewertet die Schöpfung
Philipp Scharrenberg verwirrt Bad Steben
Birgit Süß: Das Graue vom Himmel
Definitiv vielleicht: Günter Grünwald in Hof
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Aus dem Leben alter Häuser: Begleitbuch zur Hofer Stadtbrand-Ausstellung
Kaiser Heinrich II.: Bamberg erinnert an den Begründer des Bistums und Doms
Humanistisch bleiben: Eine Performance wirbt für Menschlichkeit im Gaza-Krieg
ORGAN2/ASLSP: Kleine Änderung beim längsten Musikstück der Welt
Essay
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Schwebende Verfahren
Zum 100. Todestag Franz Kafkas
Ein Quantum Brecht muss bleiben
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125 Jahre „Dracula“ von Bram Stoker
Man muss ihn nicht mögen
Napoleon zum 200. Todestag
Die Bücher
Erhältlich über den Buchhandel und online