11. November 2025 Wer daran geht, eine Komödie, ein Kabarett- oder ein Comedy-Programm zu schreiben, sieht sich vor einem doppelten Problem: Zum einen gilt es, Gags zu erfinden, die zum Lachen sind; zum andern gibt es wenig so Unberechenbares wie den Humor. Der Gag, der den einen aufreizt, sich auszuschütten, veranlasst bei der anderen nicht einmal ein Zucken der Mundwinkel. Wie das Schöne (und das Hässliche) liegt das Witzige im Auge und im Ohr jedes und jeder Einzelnen. Dabei ist das Lachen als Kommunikationsmittel so universell wie die Musik: Auf Erden kennt man keine Kultur, die es nicht kennte. Leicht lassen sich Kinder unterhalten: Sie prusten gern und laut schon bei simplen Anlässen los, und das zwischen zwei- und vierhundert Mal am Tag. Uns Erwachsenen hingegen treibt der Ernst so mancher Lage die Fröhlichkeit weitgehend aus: Im Durchschnitt lachen wir täglich nur noch fünfzehn Mal, obwohl die Heilkräfte von Spaß und Lebensfreude außer Frage stehen. Weil unser Hormonsystem bei Heiterkeit Dopamin und Endorphine freisetzt und den Cortisol- und Adrenalinspiegel senkt, hellt es das Gemüt auf und baut Stress entspannend ab. Dergleichen erforscht seit den 1960er-Jahren die „Gelotologie“ ganz im Ernst, weil wissenschaftlich. In regelrechten Lachtherapien wird Gackern, Feixen, Jauchzen fruchtbar gemacht, um selbst schwere Depressionen zu bekämpfen. Wers erst mal mit einer Nummer kleiner probieren will, ist vielleicht in einem der sich vermehrenden Lachclubs oder beim global grassierenden „Lachyoga“ gut aufgehoben, auch ohne lustig zu sein. Am Weltlachtag – das nächste Mal am 3. Mai 2026 – werden sich erst recht viele der besonders Lachlustigen unter unseren Mitmenschen beteiligen. Aber auch Tiere lachen, Ratten zum Beispiel, wenn man sie nur ordentlich kitzelt. Und unlängst erinnerte die Zeit daran, dass Forschende des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie im Verein mit drei US-amerikanischen Universitäten Menschenaffen dabei beobachteten, wie sie vorsätzlich Unfug miteinander trieben: Sie traktierten einander beharrlich, überraschend und spielerisch mit herausfordernden, aber nicht bösartigen Neckereien, ohne eine Absicht außer der, die Aufmerksamkeit der Artgenossen auf sich zu ziehen. Die Entdeckung bestätigt unsere Selbsterkenntnis, dass in uns Menschen seit jeher vor allem Tierisches steckt: „Es ist wahrscheinlich“, schreibt das Max-Planck-Institut, „dass sich die Voraussetzungen für Humor vor mindestens dreizehn Millionen Jahren in der menschlichen Abstammungslinie entwickelt haben.“ Zwar dehnt sich zwischen unseren Primaten-Geschwistern und uns ein gewaltiger evolutionärer Abstand aus: Welcher Gorilla oder Orang-Utan vergäße sich so weit, angesichts der faulen Witze eines Mario Barth das breite Maul zu verziehen? Wenn aber Schimpansen und Bonobos miteinander herumalbern, dann kichern und glucksen sie wie wir. Endgültig widerlegt ist jedenfalls der sprichwörtliche Gemeinplatz, allein der homo sapiens sei „das Tier, das lacht“. Andererseits soll das Krähen der indonesischen Ayam-Ketawa-Hähne zwar dem vergnügten Gewieher von uns Menschen stupend ähneln, aber zu behaupten, „da lachen ja die Hühner“, schösse übers Ziel hinaus. Sie tun es nicht, mag Gelächter auch so ansteckend sein wie es das Gähnen ist, wenn jemand langatmig einen faden Schabernack erzählt, bei dem uns das Lachen vergeht. ■
Alle bisherigen Kolumnen in den
Eckpunkt-Archiven (siehe oben im Menü)
Rückblick
7. November, Buch & Musik
Als einen „Pageturner erster Güte“ und „die erstaunlichste Entdeckung der Saison“ bejubelte (zum Beispiel) die Süddeutsche Zeitung den Roman Lázár, und die Zeit rief seinen erst 22-jährigen Verfasser gar als neuen „Zauberer" und also Nachfolger Thomas Manns aus. Schwer lässt sich der Hype verstehen, den die Feuilletons um das überschätzte Buch entfesselten. - Außerdem: Louis Spohrs romantische Kammermusik für Streicher, aufs Wunderbarste interpretiert.
4. November, Hof, Theater, Großes Haus
Der Stoff kommt einem bekannt vor - was kein Wunder ist: Im Kino wurde er unterm Titel „Das Leben des Brian“ legendär. Auf der Musicalbühne heißt er Monty Python’s Not the Messiah und sieht aus wie ein durchgeknalltes Oratorium. Mit dem famosen Markus Gruber in der Hauptrolle und von Manfred Ohnoutka flott inszeniert, kommt die un-biblische Geschichte um einen Nobody, der für Gottes Sohn gehalten wird, ohne allzu lästerliche Blasphemien aus.
Theater Hof
Schauspiel
zuletzt
Die Orestie
Nipplejesus
Das Leben ein Traum
Handbuch gegen den Krieg
Musiktheater
zuletzt
Monty Python’s Not the Messiah
Die Tagebücher von Adam und Eva
Ranzlichter
Eugen Onegin
Theater andernorts
zuletzt
Die Meistersinger in Bayreuth
Salome im Vogtlandtheater
Die Befristeten auf Bayreuths Studiobühne
Tristan und Isolde auf dem Grünen Hügel
Konzert
zuletzt
Übungen in Nostalgie: Korngold und Rachmaninow reichen sich die Hand
Klassiker der Leinwand: Die Symphoniker spielen für die Sparkasse Hochfranken
Aus der Neuen Welt: Dirigent Johannes Wildner erfindet in Hof Dvořáks Neunte
Hüben & Drüben: Die Dresdner Sinfoniker feiern die deutsche Einheit
Film
zuletzt
59. Internationale Hofer Filmtage
Mission Impossible - The Final Reckoning
48. Grenzland-Filmtage Selb/Aš
Maria
Kleinkunst, Kabarett, Comedy
zuletzt
TBC macht lauter gute Vorschläge
Olaf Schubert bewertet die Schöpfung
Philipp Scharrenberg verwirrt Bad Steben
Birgit Süß erzählt das Graue vom Himmel
Anderes
zuletzt
Buch & Musik: Biedermanns „Lázár“ ein Flop, Spohrs Kammermusik wunderbar
Der neue McEwan: Mit dem Top-Romancier auf der Suche nach einem verlorenen Gedicht
Musik: Klaviermusik von Bach und Clara Schumann, Hartmanns Violinkonzert
Bücher: Hermann Hesses toter Bruder, Bamberger Sprach-Bilder und viel Wasser
Bald kommt das neue Buch
SCHWEBENDE VERFAHREN - (2025) Vierzehn Essays von Michael Thumser. Verlag Tredition, Hamburg, 435 Seiten, gebunden 25, als Paperback 18 Euro.
Solange in der Rechtsprechung oder der Verwaltung ein Vorgang „anhängig“ ist, sprechen wir von einem „schwebenden Verfahren“. Noch ist also kein Beschluss, kein Urteil ergangen. Dürfen wir beim Blick in die Vergangenheit von unwandelbar gesicherten Tatsachen sprechen, wenn wir bedenken, dass nichts beständig ist außer dem Wandel? Dass wir etwas für wert erachten, als „historisch“ festgehalten zu werden, wurzelt in unserem momentanen Blick. Nicht nur, aber vor allem auch davon berichten die Texte dieses Buchs. Was wir erleben und an Fakten sammeln, sind Etappen und vielleicht nur Augenblicke eines „schwebenden Verfahrens“: eines Prozesses, den wir Geschichte nennen. Das abschließende Urteil steht aus und wird nicht von uns gesprochen werden.
Im Buchhandel und online erhältlich