Hochfranken-Feuilleton
 Jede Art zu schreiben ist erlaubt, nur nicht die langweilige.  (Voltaire)
Aktuell

18. November, Hof, Freiheitshalle, Festsaal

Damit die Filmmusik Hollywoods zu dem aufblühen konnte, was sie einst war und manchmal auch noch ist, lernten ihre Komponisten viel von Erich Wolfgang Korngold und Sergej Rachmaninow. Die Hofer Symphoniker stellten beide Meister während eines Abends nebeneinander, den sie fesselnd-gefühlvoll der Nostalgie widmeten. Als Violinsolistin und am Dirigentenpult: zwei Damen, die das Publikum durch Inspiration und Ausstrahlung begeisterten.



Eckpunkt

Lachen die Hühner?

Von Curiander

11. November 2025   Wer daran geht, eine Komödie, ein Kabarett- oder ein Comedy-Programm zu schreiben, sieht sich vor einem doppelten Problem: Zum einen gilt es, Gags zu erfinden, die zum Lachen sind; zum andern gibt es wenig so Unberechenbares wie den Humor. Der Gag, der den einen aufreizt, sich auszuschütten, veranlasst bei der anderen nicht einmal ein Zucken der Mundwinkel. Wie das Schöne (und das Hässliche) liegt das Witzige im Auge und im Ohr jedes und jeder Einzelnen. Dabei ist das Lachen als Kommunikationsmittel so universell wie die Musik: Auf Erden kennt man keine Kultur, die es nicht kennte. Leicht lassen sich Kinder unterhalten: Sie prusten gern und laut schon bei simplen Anlässen los, und das zwischen zwei- und vierhundert Mal am Tag. Uns Erwachsenen hingegen treibt der Ernst so mancher Lage die Fröhlichkeit weitgehend aus: Im Durchschnitt lachen wir täglich nur noch fünfzehn Mal, obwohl die Heilkräfte von Spaß und Lebensfreude außer Frage stehen. Weil unser Hormonsystem bei Heiterkeit Dopamin und Endorphine freisetzt und den Cortisol- und Adrenalinspiegel senkt, hellt es das Gemüt auf und baut Stress entspannend ab. Dergleichen erforscht seit den 1960er-Jahren die „Gelotologie“ ganz im Ernst, weil wissenschaftlich. In regelrechten Lachtherapien wird Gackern, Feixen, Jauchzen fruchtbar gemacht, um selbst schwere Depressionen zu bekämpfen. Wers erst mal mit einer Nummer kleiner probieren will, ist vielleicht in einem der sich vermehrenden Lachclubs oder beim global grassierenden „Lachyoga“ gut aufgehoben, auch ohne lustig zu sein. Am Weltlachtag – das nächste Mal am 3. Mai 2026 – werden sich erst recht viele der besonders Lachlustigen unter unseren Mitmenschen beteiligen. Aber auch Tiere lachen, Ratten zum Beispiel, wenn man sie nur ordentlich kitzelt. Und unlängst erinnerte die Zeit daran, dass Forschende des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie  im Verein mit drei US-amerikanischen Universitäten Menschenaffen dabei beobachteten, wie sie vorsätzlich Unfug miteinander trieben: Sie traktierten einander beharrlich, überraschend und spielerisch mit herausfordernden, aber nicht bösartigen Neckereien, ohne eine Absicht außer der, die Aufmerksamkeit der Artgenossen auf sich zu ziehen. Die Entdeckung bestätigt unsere Selbsterkenntnis, dass in uns Menschen seit jeher vor allem Tierisches steckt: „Es ist wahrscheinlich“, schreibt das Max-Planck-Institut, „dass sich die Voraussetzungen für Humor vor mindestens dreizehn Millionen Jahren in der menschlichen Abstammungslinie entwickelt haben.“ Zwar dehnt sich zwischen unseren Primaten-Geschwistern und uns ein gewaltiger evolutionärer Abstand aus: Welcher Gorilla oder Orang-Utan vergäße sich so weit, angesichts der faulen Witze eines Mario Barth das breite Maul zu verziehen? Wenn aber Schimpansen und Bonobos miteinander herumalbern, dann kichern und glucksen sie wie wir. Endgültig widerlegt ist jedenfalls der sprichwörtliche Gemeinplatz, allein der homo sapiens sei „das Tier, das lacht“. Andererseits soll das Krähen der indonesischen Ayam-Ketawa-Hähne zwar dem vergnügten Gewieher von uns Menschen stupend ähneln, aber zu behaupten, „da lachen ja die Hühner“, schösse übers Ziel hinaus. Sie tun es nicht, mag Gelächter auch so ansteckend sein wie es das Gähnen ist, wenn jemand langatmig einen faden Schabernack erzählt, bei dem uns das Lachen vergeht. ■

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Rückblick

7. November, Buch & Musik
Als einen „Pageturner erster Güte“ und „die erstaunlichste Entdeckung der Saison“ bejubelte (zum Beispiel) die Süddeutsche Zeitung den Roman Lázár, und die Zeit rief seinen erst 22-jährigen Verfasser gar als neuen „Zauberer" und also Nachfolger Thomas Manns aus. Schwer lässt sich der Hype verstehen, den die Feuilletons um das überschätzte Buch entfesselten. - Außerdem: Louis Spohrs romantische Kammermusik für Streicher, aufs Wunderbarste interpretiert.

4. November, Hof, Theater, Großes Haus
Der Stoff kommt einem bekannt vor - was kein Wunder ist: Im Kino wurde er unterm Titel „Das Leben des Brian“ legendär. Auf der Musicalbühne heißt er Monty Python’s Not the Messiah und sieht aus wie ein durchgeknalltes Oratorium. Mit dem famosen Markus Gruber in der Hauptrolle und von Manfred Ohnoutka flott inszeniert, kommt die un-biblische Geschichte um einen Nobody, der für Gottes Sohn gehalten wird, ohne allzu lästerliche Blasphemien aus.



Theater Hof

Schauspiel
zuletzt
Die Orestie
Nipplejesus
Das Leben ein Traum
Handbuch gegen den Krieg


Musiktheater
zuletzt
Monty Python’s Not the Messiah
Die Tagebücher von Adam und Eva
Ranzlichter
Eugen Onegin


Theater andernorts
zuletzt
Die Meistersinger in Bayreuth
Salome
im Vogtlandtheater
Die Befristeten
auf Bayreuths Studiobühne
Tristan und Isolde
auf dem Grünen Hügel


Konzert
zuletzt
Übungen in Nostalgie: Korngold und Rachmaninow reichen sich die Hand
Klassiker der Leinwand:
Die Symphoniker spielen für die Sparkasse Hochfranken
Aus der Neuen Welt: Dirigent Johannes Wildner erfindet in Hof Dvořáks Neunte
Hüben & Drüben: Die Dresdner Sinfoniker feiern die deutsche Einheit



Film
zuletzt
59. Internationale Hofer Filmtage
Mission Impossible - The Final Reckoning
48. Grenzland-Filmtage Selb/Aš
Maria


Kleinkunst, Kabarett, Comedy
zuletzt
TBC macht lauter gute Vorschläge
Olaf Schubert bewertet die Schöpfung
Philipp Scharrenberg verwirrt Bad Steben
Birgit Süß
erzählt das Graue vom Himmel


Anderes
zuletzt
Buch & Musik: Biedermanns „Lázár“ ein Flop, Spohrs Kammermusik wunderbar
Der neue McEwan: Mit dem Top-Romancier auf der Suche nach einem verlorenen Gedicht
Musik: Klaviermusik von Bach und Clara Schumann, Hartmanns Violinkonzert
Bücher: Hermann Hesses toter Bruder, Bamberger Sprach-Bilder und viel Wasser

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Bald kommt das neue Buch

SCHWEBENDE VERFAHREN - (2025) Vierzehn Essays von Michael Thumser. Verlag Tredition, Hamburg, 435 Seiten, gebunden 25, als Paperback 18 Euro.
Solange in der Rechtsprechung oder der Verwaltung ein Vorgang „anhängig“ ist, sprechen wir von einem „schwebenden Verfahren“. Noch ist also kein Beschluss, kein Urteil ergangen. Dürfen wir beim Blick in die Vergangenheit von unwandelbar gesicherten Tatsachen sprechen, wenn wir bedenken, dass nichts beständig ist außer dem Wandel? Dass wir etwas für wert erachten, als „historisch“ festgehalten zu werden, wurzelt in unserem momentanen Blick. Nicht nur, aber vor allem auch davon berichten die Texte dieses Buchs. Was wir erleben und an Fakten sammeln, sind Etappen und vielleicht nur Augenblicke eines „schwebenden Verfahrens“: eines Prozesses, den wir Geschichte nennen. Das abschließende Urteil steht aus und wird nicht von uns gesprochen werden.

Im Buchhandel und online erhältlich

KAISERS BART - (2022) Dreizehn Essays von Michael Thumser. Verlag Tredition, Hamburg, 344 Seiten, gebunden 25, als Paperback 18, als E-Book 9,99 Euro.
Auch Kaisers Bart kommt vor in diesem Buch, zum Beispiel der des mittelalterlichen Staufers Barbarossa. Wenn wir uns indes heute „um des Kaisers Bart streiten“, dann geraten wir nicht wegen einer royalen Haupt- und Staatsaktion, sondern um einer Bagatelle willen aneinander. Dem Gewicht nach irgendwo dazwischen halten sich die Themen der dreizehn Essays auf, die alle dem weiten Feld der Kulturgeschichte entsprossen sind. Umfassend recherchiert und elegant formuliert, erzählen sie über Bücher und Bärte, Genies und Scheusale, über selbstbestimmte Frauen, wegweisende Männer und Narren in mancherlei Gestalt, über Stern- wie Schmerzensstunden der Wort- und Tonkunst. Worüber berichtet wird, scheint teils schon reichlich lang vergangen – „sooo einen Bart“ hat aber nichts davon.



VERPESTETE BÜCHER - (2021) Elf literarische Epidemien und ein Epilog. Von Michael Thumser. Mit Buchschmuck von Stephan Klenner-Otto. Verlag Tredition, Hamburg, 172 Seiten, gebunden 16,99, als Paperback 8,99, als E-Book 2,99 Euro.
Dieses Buch ist nicht das Buch zur Krise. Freilich ist es ein Buch zur Zeit. Es will einem traditionsreichen, aber noch unbenannten Genre der Weltliteratur einen passenden Namen geben: dem Seuchenbuch. Erstmals erschienen die literaturkundlichen Essays während der Corona-Pandemie auf dieser Website. Vermehrt um ein Kapitel über Mary Shelleys Roman „Der letzte Mensch“, wurden sie sämtlich überarbeitet. Den ausgewählten Werken der deutschsprachigen und internationalen Erzählkunst ist gemeinsam, dass in ihnen Epi- und Pandemien eine Hauptrolle spielen. So belegen die Werkporträts, dass die Furcht vor Seuchen und die Hilflosigkeit gegen deren raumgreifendes Wüten die Geschichte der Menschheit als Konstanten durchziehen. Die Beispielhaftigkeit der vorgestellten Seuchenbücher verleiht ihnen über ihre Epochen hinaus Wirkung und Gewicht.

 

WIR SIND WIE STUNDEN - (2020) Neunzehn Essays von Michael Thumser. Verlag Tredition, Hamburg, 340 Seiten, gebunden 21,99, als Paperback 12,99, als E-Book 2,99 Euro.
Mehr oder weniger handeln alle hier versammelten Texte von Zeit und Geschichte, Fortschritt und Vergänglichkeit, von Werten und Werden, Sein und Bleiben, von Wandel und Vanitas. Zwischen 2010 und 2020 entstanden, wollen sie als Essays gelesen werden, folglich weniger als Beiträge zu den Fachwissenschaften, mit denen sie sich berühren, denn als schriftstellerische Versuche. Formal handelt es sich um sprachschöpferische Arbeiten eines klassischen Feuilletonisten, inhaltlich um Produkte von Zusammenschau, Kompilation und Kombination, wobei der Verfasser Ergebnisse eingehender Recherchen mit eigenen Einsichten und Hypothesen verwob, um Grundsätzliches mitzuteilen und nachvollziehbar darüber nachzudenken.


DER HUNGERTURM - (2011/2020) Dreizehn Erzählungen von Michael Thumser. Verlag Tredition, Hamburg, 288 Seiten, gebunden 19,99, als Paperback 10,99, als E-Book 2,99 Euro.
Von Paaren handeln etliche der dreizehn Geschichten in diesem Band: von solchen, die auseinandergehen, von anderen, die „trotz allem“ beieinanderbleiben, von wieder anderen, die gar nicht erst zusammenfinden. Dass die Liebe auch bitter schmecken kann, ahnen oder erfahren sie. Sich selbst und der Welt abhanden zu kommen, müssen manche der Figuren fürchten, den Kontakt zu verlieren, allein zu sein oder zu bleiben und nichts anfangen zu können, nur mit sich. Manche haben ihren Platz ziemlich weit fort von den anderen, zum Beispiel hoch über ihnen wie der namenlose Protagonist der Titelerzählung "Der Hungerturm". Irgendwann freilich werden sie aufgestört von der halb heimlichen Sehnsucht, mit jemandem zu zweit zu sein. Bei anderen genügt ein unerwarteter Zwischenfall, dass der Boden unter ihren Füßen ins Schwanken gerät und brüchig wird. Und es gibt auch welche, denen die Wirklichkeit in die Quere kommt, weil sie ein Bild von sich und Ziele haben, die nicht recht zu ihnen passen. Knapp und zielstrebig, bisweilen in filmartig geschnittenen Szenen und Dialogen berichten die zeitlosen Erzählungen davon, wie aus Unspektakulärem etwas Liebes- und Lebensbestimmendes, mitunter Tödliches erwächst.