Hochfranken-Feuilleton
 Jede Art zu schreiben ist erlaubt, nur nicht die langweilige.  (Voltaire)
Aktuell

4. November, Hof, Theater, Großes Haus

Der Stoff kommt einem bekannt vor - was kein Wunder ist: Im Kino wurde er unterm Titel „Das Leben des Brian“ legendär. Auf der Musicalbühne heißt er Monty Python’s Not the Messiah und sieht aus wie ein durchgeknalltes Oratorium. Mit dem famosen Markus Gruber in der Hauptrolle und von Manfred Ohnoutka flott inszeniert, kommt die un-biblische Geschichte um einen Nobody, der für Gottes Sohn gehalten wird, ohne allzu lästerliche Blasphemien aus.



Eckpunkt

Königs Kirschen

Von Curiander

1. November 2025   Kurz genug war die erste Amtszeit des neuerlich amtierenden US-amerikanischen Präsidenten, um weltgeschichtlich nicht allzu verheerend ins Gewicht zu fallen. Schön fanden wirs, als die groteske Epoche am 20. Januar 2021 zu Ende war, für immer, wie wir damals hofften. Spätestens seit dem 20. Januar dieses Jahres sind wir eines Besseren, will sagen: Schlimmeren belehrt. Mindestens bis 2029 muss die aufgeklärte freie Welt neuerlich versuchen, das Beste aus dem von narzisstischem Getrumpel angerichteten Scherbenhaufen zu machen, will sagen: das Schlimmste zu verhüten. Friedensnobelpreisträger wär er gern geworden, als König von Amerika fühlt er sich bereits – und wurde dieser Tage tatsächlich von einem waschechten Kaiser empfangen: Zwar mochte der Egomane bei seinem Staatsbesuch in Japan - anders als von Protokoll und Zeremoniell vorgesehen - das Haupt vor dem dortigen Regenten nicht beugen und tätschelte ihm stattdessen gönnerhaft Hand und Schulter. Ihm selbst aber wurde gleichwohl mit Überschwang gehuldigt. Natürlich erhielt er zu ihm passende Präsente, Absurdes wie einen vergoldeten Golfball und Sinnreiches, darunter 250 Kirschbäume. Die sollen in Washington so in den Himmel wachsen wie seine Megalomanie und 2026 die Hauptstadt zum 250. Jahrestag der US-Unabhängigkeitserklärung mit weiß-rosa Blütenpracht verzieren. Mit der Schenkung  knüpft Tokio an eine Ehrengabe von vor über hundert Jahren an, als Nippon der Metropole gleich mehrere tausend Exemplare seines Lieblingsbaums verehrte. Wer Doris Dörries Liebesabschiedsroman und -film „Kirschblüten – Hanami“ von 2008 kennt, weiß, wie tief die sakura, der Frühlingsflor jener Bäume, die Seelen der Japaner bewegt. Schön ist er, kurz freilich währt er – und wird darum vielfältig gedeutet: als Symbol sowohl für Anmut wie für Vergänglichkeit und für Erneuerung. Ähnlich begriffen und begreifen andere Kulturen den Baum als solchen nicht allein als beeindruckendes Gewächs, auch als Gleichnis. Im biblischen Garten Eden behält sich der Gott des Alten Testaments zwei Bäume vor, den einen des (ewigen) Lebens und den andern der Erkenntnis von Gut und Böse; in der nordischen Sagenwelt trägt die Weltesche Yggdrasil die Erde und das All; den Sachsen unter den Germanen war die Eiche Irminsul heilig, bis Karl der Große sie fällen ließ; vielen hierzulande ist der „deutsche Wald“ Inbild der Heimat und der Verwurzelung in ihr ... Auch abseits spiritueller, mythologischer, sentimentaler Bezüge leuchtet uns leicht ein, dass alte Bäume mit einer Lebenserwartung von (je nach Art) mehreren hundert, wenn nicht tausend Jahren ein Beispiel für zähes Wachstum und beständiges In-sich-Ruhen abgeben. Und auf Wiederaufforstungsflächen wächst, ungeachtet der krisenhaften Gegenwart, beim Anblick junger Setzlinge und Stämmchen unser Mut, an eine Zukunft zu glauben, deren Dauer den Namen verdient. Leicht fällt uns solche Hoffnung nicht, wenn wir erfahren, wie der König von Amerika und mit ihm eine wachsende Zahl von Autokraten jeden ökologischen Gedanken wie einen Unsinn verwerfen. Der Gleichmut Martin Luthers könnte uns nicht schaden, der meinte, er würde, selbst wenn für morgen der Untergang der Welt beschlossen wäre, trotz der Kürze der Restzeit heute noch ein schönes Apfelbäumchen pflanzen. Vielleicht stellen wir, wie es Umweltaktivisten seit Längerem empfehlen, schon mal Spaten und Gießkanne bereit. ■

Alle bisherigen Kolumnen in den
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Rückblick

29. Oktober, Hof, Freiheitshalle, Festsaal
Das Geldinstitut, das heute Sparkasse Hochfranken heißt, feiert sein 200-jähriges Bestehen - eigentlich kein Thema fürs Feuilleton, hätte es nicht zum Festkonzert mit Klassikern der Leinwand, genauer: der US-amerikanischen Filmmusik, eingeladen. Am Pult der Hofer Symphoniker, die seit Langem von der Sparkasse gesponsert werden,  erwies sich der Österreicher Gottfried Rabl als kundiger Moderator und Spezialist für anspruchsvolle Unterhaltung.

27. Oktober, 59. Hofer Filmtage
Ein Terroranschlag - und Familie Ziegelmann im Ausnahmezustand: Ist Tochter Maya, die längst daheim sein sollte, unter den Opfern? Matthias Kreter legt als Regisseur und Autor clever die Lebenslügen, Unwahrheiten und Geheimnisse einer Familie bloß, die sich aus lauter Sorge zerfleischt. Eine Boulevard-Tragödie, fast ein Loriot-Sketch in Gestalt eines grausigen Folterkammerspiels: Ein Abend im Dezember würde als well-made play auch auf dem Theater funktionieren. 



Theater Hof

Schauspiel
zuletzt
Die Orestie
Nipplejesus
Das Leben ein Traum
Handbuch gegen den Krieg


Musiktheater
zuletzt
Monty Python’s Not the Messiah
Die Tagebücher von Adam und Eva
Ranzlichter
Eugen Onegin


Theater andernorts
zuletzt
Die Meistersinger in Bayreuth
Salome
im Vogtlandtheater
Die Befristeten
auf Bayreuths Studiobühne
Tristan und Isolde
auf dem Grünen Hügel


Konzert
zuletzt
Klassiker der Leinwand: Die Symphoniker spielen für die Sparkasse Hochfranken
Aus der Neuen Welt: Dirigent Johannes Wildner erfindet in Hof Dvořáks Neunte
Hüben & Drüben: Die Dresdner Sinfoniker feiern die deutsche Einheit
Lieben Sie Brahms? Christian Zacharias eröffnet die Hofer Konzertsaison



Film
zuletzt
59. Internationale Hofer Filmtage
Mission Impossible - The Final Reckoning
48. Grenzland-Filmtage Selb/Aš
Maria


Kleinkunst, Kabarett, Comedy
zuletzt
TBC macht lauter gute Vorschläge
Olaf Schubert bewertet die Schöpfung
Philipp Scharrenberg verwirrt Bad Steben
Birgit Süß
erzählt das Graue vom Himmel


Anderes
zuletzt
Der neue McEwan: Mit dem Top-Romancier auf der Suche nach einem verlorenen Gedicht
Musik: Klaviermusik von Bach und Clara Schumann, Hartmanns Violinkonzert
Bücher: Hermann Hesses toter Bruder, Bamberger Sprach-Bilder und viel Wasser
Die Kunst der Bauchlandung: Das neue Buch des Hofers Roland Spranger


Essay  
zuletzt
... und zum Flor des Landes: Zwischen 1806 und 1918 - Bayerns fünf bis sechs Könige
Das Findelkind Europas:
Kaspar Hauser war nachweislich kein Fürstenspross
Das Kleinmaleins des Lebens

Erich Kästner, doppelt und dreifach
Schwebende Verfahren
Zum 100. Todestag Franz Kafkas

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Die Bücher
Erhältlich über den Buchhandel und online

KAISERS BART - (2022) Dreizehn Essays von Michael Thumser. Verlag Tredition, Hamburg, 344 Seiten, gebunden 25, als Paperback 18, als E-Book 9,99 Euro.
Auch Kaisers Bart kommt vor in diesem Buch, zum Beispiel der des mittelalterlichen Staufers Barbarossa. Wenn wir uns indes heute „um des Kaisers Bart streiten“, dann geraten wir nicht wegen einer royalen Haupt- und Staatsaktion, sondern um einer Bagatelle willen aneinander. Dem Gewicht nach irgendwo dazwischen halten sich die Themen der dreizehn Essays auf, die alle dem weiten Feld der Kulturgeschichte entsprossen sind. Umfassend recherchiert und elegant formuliert, erzählen sie über Bücher und Bärte, Genies und Scheusale, über selbstbestimmte Frauen, wegweisende Männer und Narren in mancherlei Gestalt, über Stern- wie Schmerzensstunden der Wort- und Tonkunst. Worüber berichtet wird, scheint teils schon reichlich lang vergangen – „sooo einen Bart“ hat aber nichts davon.



VERPESTETE BÜCHER - (2021) Elf literarische Epidemien und ein Epilog. Von Michael Thumser. Mit Buchschmuck von Stephan Klenner-Otto. Verlag Tredition, Hamburg, 172 Seiten, gebunden 16,99, als Paperback 8,99, als E-Book 2,99 Euro.
Dieses Buch ist nicht das Buch zur Krise. Freilich ist es ein Buch zur Zeit. Es will einem traditionsreichen, aber noch unbenannten Genre der Weltliteratur einen passenden Namen geben: dem Seuchenbuch. Erstmals erschienen die literaturkundlichen Essays während der Corona-Pandemie auf dieser Website. Vermehrt um ein Kapitel über Mary Shelleys Roman „Der letzte Mensch“, wurden sie sämtlich überarbeitet. Den ausgewählten Werken der deutschsprachigen und internationalen Erzählkunst ist gemeinsam, dass in ihnen Epi- und Pandemien eine Hauptrolle spielen. So belegen die Werkporträts, dass die Furcht vor Seuchen und die Hilflosigkeit gegen deren raumgreifendes Wüten die Geschichte der Menschheit als Konstanten durchziehen. Die Beispielhaftigkeit der vorgestellten Seuchenbücher verleiht ihnen über ihre Epochen hinaus Wirkung und Gewicht.

 

WIR SIND WIE STUNDEN - (2020) Neunzehn Essays von Michael Thumser. Verlag Tredition, Hamburg, 340 Seiten, gebunden 21,99, als Paperback 12,99, als E-Book 2,99 Euro.
Mehr oder weniger handeln alle hier versammelten Texte von Zeit und Geschichte, Fortschritt und Vergänglichkeit, von Werten und Werden, Sein und Bleiben, von Wandel und Vanitas. Zwischen 2010 und 2020 entstanden, wollen sie als Essays gelesen werden, folglich weniger als Beiträge zu den Fachwissenschaften, mit denen sie sich berühren, denn als schriftstellerische Versuche. Formal handelt es sich um sprachschöpferische Arbeiten eines klassischen Feuilletonisten, inhaltlich um Produkte von Zusammenschau, Kompilation und Kombination, wobei der Verfasser Ergebnisse eingehender Recherchen mit eigenen Einsichten und Hypothesen verwob, um Grundsätzliches mitzuteilen und nachvollziehbar darüber nachzudenken.


DER HUNGERTURM - (2011/2020) Dreizehn Erzählungen von Michael Thumser. Verlag Tredition, Hamburg, 288 Seiten, gebunden 19,99, als Paperback 10,99, als E-Book 2,99 Euro.
Von Paaren handeln etliche der dreizehn Geschichten in diesem Band: von solchen, die auseinandergehen, von anderen, die „trotz allem“ beieinanderbleiben, von wieder anderen, die gar nicht erst zusammenfinden. Dass die Liebe auch bitter schmecken kann, ahnen oder erfahren sie. Sich selbst und der Welt abhanden zu kommen, müssen manche der Figuren fürchten, den Kontakt zu verlieren, allein zu sein oder zu bleiben und nichts anfangen zu können, nur mit sich. Manche haben ihren Platz ziemlich weit fort von den anderen, zum Beispiel hoch über ihnen wie der namenlose Protagonist der Titelerzählung "Der Hungerturm". Irgendwann freilich werden sie aufgestört von der halb heimlichen Sehnsucht, mit jemandem zu zweit zu sein. Bei anderen genügt ein unerwarteter Zwischenfall, dass der Boden unter ihren Füßen ins Schwanken gerät und brüchig wird. Und es gibt auch welche, denen die Wirklichkeit in die Quere kommt, weil sie ein Bild von sich und Ziele haben, die nicht recht zu ihnen passen. Knapp und zielstrebig, bisweilen in filmartig geschnittenen Szenen und Dialogen berichten die zeitlosen Erzählungen davon, wie aus Unspektakulärem etwas Liebes- und Lebensbestimmendes, mitunter Tödliches erwächst.