31. Mai 2025 So wie wir spitzen in aller Herren Ländern die Verächter des amtierenden US-Präsidenten, also gefühlt die überwiegende Mehrheit der Menschheit, resignierend die Ohren: Müsste Donald Trump nicht auf lärmenden Widerstand stoßen, wenn er auf die Seite eines kriegslüsternen Autokraten überläuft, hochrangige Gäste im Angesicht der globalen Öffentlichkeit zusammenstaucht, von zwielichtigen Regierungen Luxus-Jumbojets als Geschenk dankend annimmt, Demokratie und Bürgerrechte stranguliert, Fabeleien wie Glaubensdogmen verkündet, globale Handelsnetze in Fetzen reißt …? Ein chauvinistischer Narzisst mit fragwürdigen zerebralen und kordialen Anlagen düpiert die Welt – und die Massen verharren bang, hüllen sich, als wollte niemand zum nächsten Opfer werden, in Schweigen. Bloß ein paar Einzelne erheben die Stimmen, womit sie dann unser Interesse umso mehr auf sich ziehen: so die Bischöfin Mariann Edgar Budde, als sie im Januar gegen den (anwesenden) Präsidenten anpredigte und – gewiss gefasst auf ungehobelte Entgegnungen – um „Erbarmen“ mit Einwanderern, LGBTQIA+-Menschen und all den anderen bat, „die jetzt Angst haben“. So viel Mut bringen die wenigsten auf. Und erst recht nicht so viel Zeit wie Cory Booker, ein US-Politiker, der verdient hätte, dass eine Auszeichnung – nennen wir sie den booker prize – fortan seinen Namen trägt. Am 1. April setzte er neue Maßstäbe für die Disziplin des filibusters, für jenes Genre der Zeit schindenden Ansprache, die Beschlüsse des Plenums verzögern oder unterbinden soll. 25 Stunden und fünf Minuten lang argumentierte Booker pausenlos gegen die kruden Pläne und wirren Beschlüsse Trumps. Vorgestern nun teilte Spiegel Online mit, er und der Verlag St. Martin‘s Press wollten den Text der Philippika im November als Buch herausbringen. Sollte dabei auf Kürzungen verzichtet werden, steht uns Lesestoff auf siebenhundert oder mehr Seiten bevor: ausführliche Lektionen über „die Tugenden, die für unseren Erfolg als Nation unerlässlich sind“, so Booker, und über das, „was wir von Generationen von Amerikanern lernen können, die für sie gekämpft haben“. Indes, nimmt dann auch Trump den Band zur Hand? Das dürfen wir bezweifeln, gestand er doch zu Beginn der ersten Amtszeit, es überkomme ihn, schon wenn er ein Buch nur sehe, ein unüberwindliches Schlafbedürfnis. Wach bleiben ist allerdings für den, der sich für das Kampfmittel des filibusters entscheidet, das Mindeste, über eine eiserne Kondition sollte er verfügen, um die Geduld seiner Zuhörerinnen und Zuhörer gehörig zu zermürben. Bereits im antiken Rom sollen Politiker die kraftraubende Methode angewendet haben; als notorisch zäher Rhetor blieb Marcus Porcius Cato – „der Jüngere“ – bis heute namhaft. Deutscher Rekordhalter ist seit Kaisers Zeiten Otto Antrick: Im Reichstag harrte er acht Stunden auf der Tribüne belehrend, mahnend, warnend aus, um ein ihm missliebiges Zollgesetz hinauszuschieben. Erfunden hat US-Senator Booker – der zuvor, um nicht einmal für eine Toilettenpause das Pult verlassen zu müssen, eine Woche hindurch gefastet haben soll – die Endlos-Eloquenz also wahrlich nicht. Immerhin stellte er eine Bestmarke aus dem Jahr 1957 ein, als die bis dato längste Rede 47 Minuten kürzer als seine gewährt hatte. Späteren Sprachgewalttätern gingen schon nach vierzehn und fünfzehn Stunden Stoff und Puste aus. Darin offenbart sich das Risiko, das jede Spielart der Ermüdungstaktik birgt: Irgendwann führt sie dazu, dass ihr auch der erliegt, der sich ihrer bedient. ■
Alle bisherigen Kolumnen in den
Eckpunkt-Archiven (siehe oben im Menü)
Rückblick
28. Juni, Selb, Rosenthal-Theater
„Ich bin Bachianer“: Mit diesem Bekenntnis überwand Johannes Brahms in drei knappen Worten das reichliche Jahrhundert zwischen dem Tod seines Idols Johann Sebastian Bach und den eigenen kompositorischen Anfängen während der 1850er-Jahre. Wie eng der Kontakt zwischen den beiden Musikgiganten - und der zwischen den Hofer Symphonikern und ihrem Chefdrigenten Martijn Dendievel - ist, das erwies eindrucksvoll das Konzert zum Abschluss der Selber Spielzeit.
26. Juni, Hof, Freiheitshalle, Festsaal
Im ausverkauften Haus ein stehend und lautstark applaudierendes Publikum: Das erste Gastspiel des Bayerischen Ärzteorchesters - mit den Hofer Medizinern Dominik Scheruhn und Hans Ulrich Kerl in seinen Reihen - geriet zum Triumph. Mit den bunten Spielereien eines leichten Sommerprogramms wollten sich die Damen und Herren nicht abgeben: Von Olivier Tardy geleitet, glänzten sie beim Benefizkonzert mit drei gewichtigen Werken der Romantik.
Theater Hof
Schauspiel
zuletzt
Nipplejesus
Das Leben ein Traum
Handbuch gegen den Krieg
Alle meine Männer
Musiktheater
zuletzt
Die Perlenfischer
The Brothers/Der Jüngste Tag ist jetzt
Ballet Blanc
Titanic
Theater andernorts
zuletzt
Salome im Vogtlandtheater
Die Befristeten auf Bayreuths Studiobühne
Tristan und Isolde auf dem Grünen Hügel
The Rake’s Progress in Plauen
Konzert
zuletzt
Auf kurze Distanz: Werke von Bach und Brahms im Selber Rosenthal-Theater
Ärzteorchester: „Leistungsorientierte Amateure“ mit gewichtiger Romantik
Sommerreigen: Wolfgang Emanuel Schmidt als Cello-Virtuose und Dirigent
Sonnengesang: Kammermusik in der Stammbacher Marienkirche
Film und Fernsehen
zuletzt
Mission Impossible - The Final Reckoning
48. Grenzland-Filmtage Selb/Aš
Maria
Nosferatu
Kleinkunst, Kabarett, Comedy
zuletzt
TBC macht lauter gute Vorschläge
Olaf Schubert bewertet die Schöpfung
Philipp Scharrenberg verwirrt Bad Steben
Birgit Süß erzählt das Graue vom Himmel
Anderes
zuletzt
Die Kunst der Bauchlandung: Das neue Buch des Hofers Roland Spranger
Bücher & Musik: Von Sonne, Mond und Sternen in den „Geschichtsraum“ Bayern
Aus dem Nachlass: Unbekannte frühe Erzählungen von Siegfried Lenz
Gottesanbieterin: Die Lyrikerin Nora Gomringer und ihre Kontake zum Jenseits
Essay
zuletzt
... und zum Flor des Landes: Zwischen 1806 und 1918 - Bayerns fünf bis sechs Könige
Das Findelkind Europas: Kaspar Hauser war nachweislich kein Fürstenspross
Das Kleinmaleins des Lebens
Erich Kästner, doppelt und dreifach
Schwebende Verfahren
Zum 100. Todestag Franz Kafkas
Die Bücher
Erhältlich über den Buchhandel und online