2. Dezember Während der vergangenen Sommer der Dürre haben wir auch hierzulande in so manchem See den Wasserspiegel sichtbar sinken sehen; in den Weltmeeren indes lässt der Klimawandel – wie heute jeder von uns, ders wissen will, weiß – die Pegel bedrohlich steigen, des zerrinnenden Polareises wegen. Kaum ist hingegen bekannt, dass solch Auf und Ab auch die Gebirge betrifft. Atmen die Berge? Fast könnten wirs meinen, heben und senken sich doch die Erdkruste und mit ihr die kleineren wie die ganz großen Gipfel wie ein lebendiger Brustkorb, auch wenn nur Geologen es wahrnehmen. So musste es sich Europas höchster Berg gefallen lassen, während der vergangenen zwei Jahre um zwei Meter auf 4805 Meter zu schrumpfen – weil die Erderwärmung einen Teil des bei der Höhenmessung mitgerechneten Gipfelschnees und -eises abschmolz. Andererseits legte der Mount Everest, bekanntlich die höchste Erhebung auf Erden, in den wissenschaftlichen Aufzeichnungen um einen Meter zu. Nicht viel scheint uns das, wenn wir seine aktuelle Höhe von unfasslichen 8849 Metern bedenken, die China und Nepal nach einer gemeinsamen, vor Kurzem veröffentlichten Untersuchung ermittelten. Weil der Koloss an der druckvollen Nahtstelle zwischen der indischen und der eurasischen Kontinentalplatte aufragt, wird er alljährlich um etliche Millimeter nach oben geschoben. Ob ein paar Handspannen mehr oder weniger – auf der schieren Höhe gründet die mythische Gewalt nicht, mit der Berge, eine gewisse Stattlichkeit vorausgesetzt, uns überwältigen können. Zwar lassen wir uns darüber belehren, dass auch die wuchtigsten Massive, wie alles auf Erden, dem Zerfall preisgegeben sind und unter den Wirkkräften der Natur erodieren wie der belangloseste Erdhügel. Dennoch bestaunen wir sie für ihre vermeintliche Unantastbarkeit und das ewige Beharrungsvermögen, das wir ihnen gern zuschreiben. Ungerührt verschließt sich der Berg durch seine Stein- und Steilwände vor uns, und wenn er uns doch in sich hineinlässt, so verweigert er uns in seinen Höhlen das Licht und schreibt uns den Weg vor. Im Berg dürfen wir märchenhafte Schätze vermuten, Erze, Gold und Edelsteine, aber er fordert uns vielerlei Mühen ab, sie an uns zu bringen. Von uns und unserer beschwerlichen Erde wendet sich sein Gipfel schnöde ab und lieber der unzugänglichen Luftigkeit des Himmels zu. Auf dem Berg Sinai soll Mose die göttlichen Zehn Gebote empfangen haben, die dem Hebräervolk die Freiheit von Willkür und Rechtlosigkeit schenkten. Ähnlich, so glauben die Muslime, habe sich in einer Höhle des Bergs Hira, nordöstlich von Mekka, Allah zum ersten Mal seinem Propheten Mohammed offenbart. Auf dem Olymp, dem mit knapp dreitausend Metern höchsten Gebirgszug Griechenlands, siedelten die Hellenen der Antike ihre Götter an; und von der legendären Gralsburg auf dem Montsalvatsch aus zogen die frommen Gralsritter in die heilsbedürftige Welt. In Bergen – dem Untersberg bei Salzburg, dem Kyffhäuser im Harz – sollen große deutsche Kaiser ihrer Wiederkunft und der Erneuerung der Nation entgegenschlummern. Und auf Thomas Manns „Zauberberg“ vollzieht sich alljährlich das Wunder, dass es im Sommer schneien und im Winter sommerwarm werden kann. Dass Gebirge und Gipfel sich so leicht nicht beeindrucken lassen, ohne erst über sich hinauswachsen zu müssen – vielleicht imponiert und irritiert uns das unbewusst am stärksten. Ein Berg schüttelt sich nicht, nur weil einer zu hart auf ihm auftritt. ■
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Rückblick
29. November, Hof, Theater, Studio
222 Millionen Euro: So teuer war vor sechs Jahren der kostspieligste Spielertransfer im internationalen Fußball. Dass zwar die Geschäftemacherei, aber keineswegs die Gefühllosigkeit in der Kicker-Provinz etwas kleiner ausfällt, führt das Drei-Personen-Match Der rote Löwe vor: Unter Ralf Hockes Leitung spult sich ein perfektes Dialogstück in perfekter Dialogregie ab - übrigens genau mit der Länge eines Fußballspiels.
25. November, Selb, Rosenthal-Theater
Eduard Hanslick fand, dass Tschaikowskis Violinkonzert „stinkt“, dafür erschnupperte Robert Schumann in der „Großen C-Dur“-Symphonie Franz Schuberts „Weihrauch“-Düfte - sogar namhafte Kritiker liegen im Ton gelegentlich daneben. Den Hofer Symphonikern ließ sich das nicht nachsagen, als sie beide Werke intonierten. Henri-Marteau-Preisträgerin Hawijch Elders glänzte als Violinsolistin.
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Rheingold und Walküre in Bayreuth
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„Sehnsuchtsorte“ auf der Reiseroute von Kinan Azmeh und den Hofer Symphonikern
„Großes Herbstkonzert“ in der Basilika Waldsassen mit Schubert und Mendelssohn
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